Die Weltpolitik mit dem aktuellen Besuch des Bundeswirtschaftsministers im südlichen Afrika schien plötzlich auch in der Doppelstadt ganz nahe. Mit Gästen trafen sich die Mitglieder der Lionsclubs aus den beiden großen Stadtbezirken zu ihrer jährlichen gemeinsamen Veranstaltung, diesmal am Nikolausabend.
Das Thema „Hunger in Afrika als Herausforderung für Europa“ war hoch aktuell und sehr politisch. Markus Stiepermann, Villinger Lions-Präsident, begrüßte den Hauptgeschäftsführer der IHK Thomas Albiez, der auf das gute Netzwerk der Region in die Welt verwies, aber ebenso auf die aktuelle Lage mit deutlich abwärts gerichtetem Geschäftserwartungsindex.
SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur, Mitglied in den Ausschüssen für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie für Menschenrechte ist weltweit in den Krisenregionen unterwegs.
Leider sei die afrikanische Klimakrise in Europa aus dem Fokus verschwunden, die gigantische Hungerkrise noch viel mehr, meinte sie in einem Kurzvortrag. Steigende Nahrungsmittelpreise, steigende Temperaturen, völlig verdorrte Landschaften, viermal hintereinander ausgebliebene Regenzeiten und verdurstete Tiere betreffen derzeit über 800 Millionen Menschen.
Die Bundesregierung unterstütze allerdings keine Militärregimes in Afrika mit Entwicklungsgeldern, nach dem friedlichen Regierungswechsel im fruchtbaren Sudan, den sie kürzlich bereist hat, sei nun wieder deutsche Hilfe möglich für Essen, Medizin und Klimaexpertise. Türk-Nachbaur verwies außerdem auf die nachweislichen Erfolge von Frauen in Afrika, die erfolgreicher in der Landwirtschaft und bei Konfliktlösungen wirkten als Männer.
Die Diskussionsrunde mit Experten ganz unterschiedlicher Wirkungsebenen gab den Zuhörern einen Einblick in die Komplexität des Themas, denn Hilfe für Afrika ist nicht nur nötig, sondern auch möglich. Mit vier weiteren Kennern der Zusammenarbeit diskutierten anschließend der Schwenninger Lions-Präsident Dr. Dieter Brandes und Dr. Ralf Trautwein, Redaktionsleiter der NECKARQUELLE.
Welche Perspektiven der Verbesserung gibt es? Alexander Sicking, Business Scout der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ, selbst mit der Erfahrung etlicher Jahre in Ghana, verwies auf den hiesigen Erfindergeist, den es mittels guter Schulbildung vor Ort nach Afrika zu transferieren gelte. Dann sei dort auch die Entwicklung von erneuerbaren Energien, Wassertechnik und Recycling möglich. Rainer Lang, Brot-für-die-Welt-Botschafter der Diakonie Berlin, unterstützt bessere Selbstversorgung der Menschen vor Ort. Für Hochtechnologie müssten auch ausländische Firmen investieren, meint er.
Thomas Bleile von der IG-Metall VS berichtete über wachsende Kontakte zu sich organisierenden Firmenangehörigen in Afrika, um die Rechte der Arbeiter gegen Ausbeutung zu stärken. Bernd Reck, bei Aesculap Tuttlingen auch für Afrika zuständig, präsentierte erfolgreiche Projekte gemeinsamer Netzwerke in mehreren Ländern, die die eigenverantwortliche unternehmerische Tätigkeit afrikanischer Firmen stärken.
Derya Türk-Nachbaur machte nochmals bewusst, dass die Bundesregierung viele interessante Projekte durch Entwicklungshilfe gestärkt habe. Ungeahnte Wirkung hat der Ausbau des Internets gebracht: Plötzlich bekamen junge Menschen Zugang zu Information und bildeten sich selbst fort, denn junge Leute in Afrika wollen ihr Land voranbringen und in ihrer Heimat bleiben – darin waren sich die Afrika-Kenner einig.
Fehlten diese Möglichkeiten, dann drängen die Familienclans einzelne Angehörige nach Europa zu gehen, um dort Geld zu verdienen – mit den bekannten Auswirkungen. „Wir müssen uns warm anziehen – da ist viel Potenzial“, so der Tenor der Gesprächsrunde. (Autor: Joachim Westendorf)